Rockstars brandneuer Krimi geht eigene Wege und setzt sich von anderen Titeln wie GTA oder Red Dead Redemption deutlich ab. Wie erfolgversprechend diese Entscheidung ist, klären wir im ausführlichen Test.
Erscheinungsdatum: 20. Mai 2011
Entwickler: Team Bondi / Rockstar Games
Publisher: Rockstar Games
USK / PEGI: 16 / 18
Sprache: Englisch (dt. Untertitel)
Genre: Action - Adventure
Multiplayer Online / Offline: Nein
Preis: 35 €
Entwickler: Team Bondi / Rockstar Games
Publisher: Rockstar Games
USK / PEGI: 16 / 18
Sprache: Englisch (dt. Untertitel)
Genre: Action - Adventure
Multiplayer Online / Offline: Nein
Preis: 35 €
Was Rockstar Games anfasst, wird zu Gold. Einschlägige Erfolge feierte der Publisher mit der Grand Theft Auto - Serie seit 1997 und auch der letzte Titel Red Dead Redemption erntete überwiegend Lob. Klar, dass da die Erwartungen für den jüngsten Streich namens L.A. Noire hoch liegen. Das Rockstar - Logo verspricht dem Kunden einen qualitativen Standard, auch wenn hinter der Entwicklung ein Studio steckt, das weniger bekannt ist.
Tatwaffen und andere wichtige Gegenstände müsst Ihr oftmals genau unter die Lupe nehmen.
Cole Phelps, L.A.P.D.
Nachdem der Protagonist Cole Phelps als ausgezeichneter Held aus dem Krieg zurückkehrt, beginnt seine Karriere bei der Polizei ganz unten - im Streifendienst. Hier werden Euch die Grundlagen in den ersten, kurzen Fällen beigebracht, bis Ihr befördert werdet. Der Reihe nach arbeitet Ihr euch durch das Verkehrsdezernat, die Mordkomission, die Sitte und die Brandermittlung. Insgesamt warten 21 Fälle auf eure fachkompetente Bearbeitung.
Die Geschichte wird in Zwischensequenzen, Rückblenden und über herumliegende Zeitungsartikel erzählt und fügt sich mehr und mehr zusammen. So verworren die Story teilweise wirken mag, so logisch löst sie sich gegen Ende auf. Gerade im letzten Drittel der Geschichte geht es heftig drunter und drüber und es fällt nicht immer leicht, dem Ganzen zu folgen, wobei die Fälle ab der Mordkomission aufeinander aufbauen.
Tatorte
Spielerisch zeichnet sich L.A. Noire durch viele ruhige Elemente und lange Dialoge aus. Entgegen der Tradition von Rockstar Games gibt es zwar auch Schusswaffen, eure effizienteste Waffe ist und bleibt aber stets das Notizbuch. Hier werden Personen, Hinweise und Orte vermerkt, die in Verbindung zum aktuellen Fall stehen. Außerdem dient es Euch als Werkzeug während der Verhöre.
Zu Beginn bekommt Ihr meistens zunächst einen Fall von eurem Vorgesetzten zugewiesen. So erhaltet Ihr knappe Informationen, die Euch unmittelbar zum Tatort führen, welchen es genauestens zu inspizieren gilt. Um Hinweise besser finden zu können, unterstützt Euch das Spiel mit einer zweistufigen Hilfe, die mit Tonsignalen und Vibration arbeitet. So fällt es euch leichter, wichtige von unwichtigen Gegenständen zu trennen und herauszufinden, ob irgendwo noch etwas unentdecktes herumliegt, was Ihr übersehen habt.
Falls zutreffend, klärt Euch der zuständige Gerichtsmediziner über die ersten Erkenntnisse bezüglich Todesursache und -zeitpunkt auf, wobei alle relevanten Informationen im Notizbuch festgehalten werden, damit Ihr später darauf zurückgreifen könnt.
Zu Beginn bekommt Ihr einen neuen Fall zugewiesen.
Verhöre
Verhöre
Nach der ausführlichen Untersuchung am Tatort, befragt Ihr Zeugen, Angehörige und Verdächtige.
Über das Notizbuch wählt Ihr ein Thema aus, zu dem Ihr die Person befragen wollt. Diese trifft dann eine Aussage, welche Ihr entweder glauben, anzweifeln oder als Lüge bezeichnen könnt.
Dabei müsst Ihr allerdings bedenken, dass eine Lüge immer nachgewiesen werden muss. Ihr müsst demjenigen also zweifelsfrei nachweisen können, dass seine Aussage falsch ist - durch Hinweise, die Ihr vorher (hoffentlich) gefunden habt.
Anzweifeln entspricht dabei allerdings eher einem Nachboren und lässt sich einsetzen, wenn der Befragte ungläubig wirkt, Ihr aber keine Beweise in der Hand habt.
Das Besondere an diesem Gameplay - Element ist die Authentizität der Mimik der Charaktere. Team Bondi verwendete das sogenannte "Motion - Scan" - Verfahren, wobei jede Figur von einem Schauspieler verkörpert wird, dessen Gesichtszüge mit 32 Kameras aufgezeichnet werden. So ergibt sich eine Mimik und Körpersprache, die es vorher noch nie in einem Videospiel gegeben hat.
Ob eine Person lügt, lässt sich also an ihrer Mimik feststellen: Ein Mundwinkelzucken oder das Vermeiden von Augenkontakt sind fast immer zuverlässige Indikatoren für eine Lüge.
Schade für Zocker mit mäßigen Englischkenntnissen ist allerdings, dass L.A. Noire rockstartypisch nicht synchronisiert wurde und die Aufmerksamkeit so häufig von der Mimik auf die Untertitel gelenkt wird. Glücklicherweise setzen die Charaktere ihre Gesichtsentgleisungen aber auch nach der Aussage fort, sodass erst die Untertitel gelesen werden können und danach lassen sich noch ganz in Ruhe die Mimiken beurteilen. Diese sind allerdings teilweise überzogen und euer virtuelles Gegenüber macht manchmal Grimassen, die völlig unrealistisch und überdeutlich sind.
Dafür ist es aber wiederum schwieriger eine Lüge konkret nachzuweisen, da vorher immer der entsprechende Hinweis gefunden werden muss.
1947 gab's noch keine Handies: Über Polizeimelder holt Ihr Auskünfte von der Zentrale ein.
Eine Prise Action
Eine Prise Action
Die dritte Komponente des Gameplayrezepts sind kurzweilige Action - Sequenzen.
Prügeleien funktionieren dabei simpel aber gut, die Waffensteuerung samt Deckungssystem funktioniert allerdings recht sperrig und träge. Hier wird ganz klar deutlich, dass Team Bondi das Hauptaugenmerk auf die Adventure - Einlagen gelegt hat und Schießereien nur ab und an zur Auflockerung genutzt werden. Die Ballereien lassen sich sogar einfach überspringen, falls der Spieler zu oft daran scheitert. Das wirkt natürlich etwaigem Frustpotenzial entgegen, aber abgesehen von Leuten, die sich in dem Kampfsystem gar nicht zurecht finden, nutzen die meisten Leute wohl eher ungern eine solche Funktion, da wichtige Spielelemente geskipt werden.
Dafür sind solche Abschnitte immer logisch und bündig in das Spielgeschehen eingebaut und wirken keinesfalls aufgesetzt. Einzig und allein die Verfolgung von fliehenden Verdächtigen nervt schon mal, da sie einfach viel zu oft auftritt. So klasse es auch aussehen mag - spielerisch ist es immer das Gleiche und verliert über die gesamte Spieldauer eher an Begeisterung.
Wie, Open - World?
Getreu der vorigen Rockstar - Titel bekommt selbstverständlich auch L.A. Noire eine offene Spielwelt spendiert.
Dieses Los Angeles von 1947 sieht großartig aus, wenn auch die ein oder andere Textur matschig wirkt oder gelegentliche Pop - Ups auftreten. Das Feeling der damaligen Zeit springt sofort über, unterlegt von einem großartigen Soundtrack. Zudem wurden über die gesamte Karte verstreut auch 30 Wahrzeichen aus dem tatsächlichen L.A. übernommen und originalgetreu nachgebaut. Diese dürft Ihr im Spiel entdecken.
So groß die Stadt und die freie Bewegungsmöglichkeit aber auch ist, so beschäftigungsarm ist sie auch. Es handelt sich nicht um ein Sandbox - Spiel und Nebentätigkeiten im Sinne eines GTA IV oder Red Dead Redemption sind nirgendwo zu finden.
Neben den Hauptfällen gibt es Straßenverbrechen, die meist aus kleineren Schießereien, Verfolgungsjagden oder Ähnlichem bestehen und innerhalb von 2 Minuten gelöst sind. Dennoch sind diese großartig inszeniert und bringen Abwechslung in das Geschehen.
Weiterhin lassen sich alle beliebigen Autos beschlagnahmen und goldene Filmrollen finden, die überall versteckt sind.
Das war's auch schon. Das kann man schade finden oder dem Spiel sogar negativ ankreiden, man kann es aber auch anders betrachten. Das offene L.A. dient dem Spiel als Kulisse, die Welt lediglich als Spielfeld, auf dem vorbestimmte Ereignisse geschehen, worauhin der Spieler einer linearen Story folgt. Team Bondi beschränkt sich hier auf das Erzählen eines guten Krimis und lässt lebenssimulative Aspekte außer Acht.
Schießereien spielen eine untergeordnete Rolle und spielen sich recht träge.
Guter Bulle
Guter Bulle
Nach Abschluss eines Falls, bekommt Ihr eine Wertung vorgesetzt. Fünf Sterne sind dabei das Optimum, wobei Ihr dafür nicht nur alle Hinweise finden und alle Aussagen von Befragten richtig deuten müsst. Auch Fahrzeug- und Personenschaden zählen mit in die Wertung.
Da Ihr kein Krimineller auf Abwegen sondern ein etablierter Polizist seid, dürft Ihr selbstverständlich weder Passanten über den Haufen fahren noch auf offener Straße eure Waffe zücken und wild um euch schießen. Cole Phelps ist sozusagen der gute Bruder von Vito Scaletta.
Weiterhin gestaltet sich die Fahrerei auch als äußerst zahm. Wer sich nicht an die Verkehrsregeln hält, verursacht schnell einen Unfall und dieser wirkt sich negativ auf eure Abschlusswertung aus. Das verlangsamt das Gameplay natürlich enorm, wobei Hitzköpfe die Fahrsequenzen auch einfach überspringen dürfen. Insgesamt funktioniert die Fahrzeugengine ähnlich wie in Mafia II, wobei die Physik, wenn euer Fahrzeug tatsächlich mal vom Boden abhebt eine relative Lachnummer ist.
Na logisch!
Mittlerweile dürfte deutlich geworden sein: L.A. Noire legt den größten Wert auf die klassischen Ermittlungen, die Hinweissuche und die Zeugenbefragung. Eine logische Struktur haben die Fälle glücklicherweise immer. Gelegentlich leistet sich das Spiel allerdings unschöne Schnitzer.
Im Morddezernat kommt es beispielsweise zu einer Mordserie. Der Spieler erkennt schnell ein Muster darin, es fehlt aber an spielerischen Freiheiten um entsprechende Ermittlungen anzustellen. So sperrt man die ganze Zeit über Verdächtige ein mit dem nahezu sicheren Wissen, dass man den Falschen hat. Hier hätte man als Spieler weniger wissen dürfen oder aber eine freie Wahl haben müssen, gegen wen er ermittelt, denn die Welt ist zwar offen, zumeist gibt es aber eine konkrete Linie, der man folgen muss um das Geschehen voran zu bringen. In seltenen Fällen ist auch eine Auswahl zwischen zwei Verdächtigen möglich.
Leider schlägt sich diese Differenz zwischen Spielerwissen und Übertragung ins Spiel auch gelegentlich in den Verhören nieder. So gibt es bestimmte Dinge, die man den Betroffenen gerne fragen würde, Cole bietet aber keine entsprechende Option an. Oder es wird nicht ganz klar, welcher Hinweis denn jetzt wie, welche Aussagen widerlegen kann.
Solche Situationen treten glücklicherweise nicht allzu häufig auf, sind aber dennoch ärgerlich, da sie den logischen Fluss des Spiels unterbrechen oder zumindest umlenken.
Mehr spielerische Freiheit wäre also wünschenswert gewesen.
Bei der Nachbildung des damaligen L.A.s hat sich Team Bondi eine Menge Mühe gemacht.
FAZIT
FAZIT
Oft wird L.A. Noire an den Maßstäben von GTA gemessen. Der gleiche Publisher und ebenso Open - World. Das sind dann aber auch schon die beiden einzigen Gemeinsamkeiten, die Nico Bellic und Cole Phelps aufweisen. Viel eher bewegen wir uns in die Richtung von Mafia II oder aber den Ermittlungssequenzen mit Norman Jayden aus Heavy Rain.
Aber all diese Vergleiche sind überflüssig. Mit L.A. Noire hat Team Bondi ein einzigartiges Action - Adventure erschaffen, was polizeiliche Ermittlungen und logische Kombination in den spielerischen Mittelpunkt rückt. Die Technik des Motion - Scans ist wegweisend, auch wenn die Umgebungstexturen gelegentlich schwächeln. Die Tatorte und Fälle sind liebevoll gestaltet, die Charaktere tiefgründig und die Geschichte spannend bis zum Schluss.
Leider verschenkt L.A. Noire an manchen Ecken aber auch viel Potenzial, was eigentlich schade ist, aber nichtsdestotrotz wird hier Adventurekost der Oberklasse geboten, die jeder mindestens mal probieren sollte.
WERTUNG
+ Einzigartige Darstellung von Mimik
+ Ungewohntes Adventurekonzept mit Kniff
+ Tolle 40er Jahre Atmosphäre
+ Großartiger Soundtrack
- Teils lahme Actioneinlagen
- Gelegentliche logische Grenzwertigkeiten
Einzelspieler: 87 / 100
Mehrspieler: -
Quelle der Screenshots: www.ign.com